Nach beträchtlicher Verzögerung wird die Geschäftsführung der Weltbank voraussichtlich am 21. Juni die Empfehlung geben, daß ein umstrittenes Projekt zur Umsiedelung von annähernd 58.000 armen Bauern in der Provinz Qinghai unter gewissen Bedingungen zur Durchführung gelangen soll. Und dies, obwohl die Untersuchungskommission der Bank, die vor fast einem Jahr die Überprüfung des Projektes aufnahm, einen äußerst kritischen Bericht geliefert haben soll. Die Stellungnahme der Geschäftsführung, die ursprünglich bereits am 12. Juni hätte fertig sein sollen, wird nun an die leitenden Direktoren der Weltbank zur Begutachtung verteilt werden. Genaue Einzelheiten hinsichtlich der Empfehlungen der Geschäftsführung und des Berichtes der Prüfungskommission werden erst veröffentlicht, wenn die Weltbankdirektoren eine Entscheidung getroffen haben.
Quellen sowohl innerhalb als auch außerhalb der Weltbank zufolge wird die Geschäftsführung dem Vorstand (Board of Directors) empfehlen, daß die umstrittene "Komponente C" des "Projektes zur Linderung der Armut in Westchina" (China Western Poverty Reduction Projet = WCPRP) nicht einfach aufgrund der Ergebnisse der Untersuchungskommission gestrichen werden soll. Obwohl der Bericht scharfe Kritik an dem Projekt üben und bestätigen soll, daß die eigenen politischen Richtlinien der Bank in beträchtlichem Maße verletzt wurden, wurde ein Kompromißpaket zwischen der Bank und der chinesischen Regierung ausgearbeitet, damit das Projekt voranschreiten kann. Dies stellt neue Bedingungen, ehe die Bank den bereits genehmigten Kredit von 40 Mio. US$ freigibt. Die leitenden Direktoren der Weltbank werden voraussichtlich am 6. Juli mit dem Weltbankpräsidenten James Wolfensohn zusammentreten, um sowohl den Bericht der Untersuchungskommission als auch die Antwort der Geschäftsführung zu prüfen.
Die Antwort der Geschäftsführung bleibt weit hinter den Anforderungen der laufenden internationalen Kampagne gegen das Projekt zurück, die seine bedingungslose Streichung fordert. "Wir wünschen Rechenschaftspflicht und keinen Handlungsplan", erklärt die International Campaign for Tibet (ICT), diejenige NGO, welche eine Überprüfung durch eine Sonderkommission verlangte. ICT stellt die Gültigkeit irgend eines neuen Kompromisses mit China zu dem Projekt infrage. Der Direktorenrat (Vorstand) habe das Projekt aufgrund der Versprechen Chinas über eine größere Transparenz und "ungehinderten Zugang" zu dem Projektgebiet zwar ursprünglich im Juni 1999 gebilligt. "Doch erwiesen sich diese Zusicherungen als falsch".
Der Weltbanksprecher Peter Stephens bestritt, daß die Geschäftsführung irgend welche Abmachungen getroffen habe und äußerte gestern TIN gegenüber, daß letzteres nach einer "äußerst gründlichen" Auswertung des Berichtes der Prüfungskommission nun "eine Reihe von bedeutenden Änderungen und Verbesserungen an dem Projekt vorschlägt". Er lehnte es ab, zum momentanen Zeitpunkt weitere Details zu nennen und fügte hinzu, "der von uns empfohlene Lösungsversuch wird einen hohen Grad an Transparenz, an Umweltanalyse und eine unabhängige soziale Wertung erlauben". Mit dem Bericht vertraute Quellen deuten an, daß die neuen Bedingungen der Bank u.a. die Einsetzung einer unabhängigen und internationalen Kommission mit Sitz in Washington vorsehen, sowie die Umsetzung neuer Bewertungen über Umweltbelastung und soziale Auswirkungen. Das könnte eine weitere Verzögerung von 15 Monaten zur Folge haben, ehe das Geld für das Projekt freigegeben wird.
Der Weltbank wurde vorgeworfen, sich nicht an ihre satzungsmäßig erklärte Politik der Verantwortlichkeit und Transparenz zu halten, Punkte die immer wieder nachdrücklich von Präsident James Wolfensohn betont wurden. Der Bericht der Untersuchungskommission und die Empfehlungen der Geschäftsführung werden erst 3 Tage, nachdem der Direktorenrat seine Entscheidung getroffen hat, veröffentlicht werden. Dies führte zu der Kritik, daß damit eine offene Diskussion des Berichtes unmöglich gemacht wird, obwohl es eine Vorschrift der Weltbank gibt, nach der "die Prüfungskommission die Untersuchungsergebnisse mittels aller nur möglichen Informationsmedien dem Publikum zugänglich zu machen hat" (§ 57 der Verfahrensordnung). Neben anderen Forderungen nach einer Veröffentlichung des Untersuchungsberichtes schrieben 60 Abgeordnete des US Kongresses gestern einen Brief an den Weltbankpräsidenten, worin sie ihn dringend auffordern, den Bericht zu veröffentlichen, "bevor und nicht erst nachdem Entscheidungen gefällt werden, die das Leben der Treuhänder betreffen".
Die Untersuchungskommission, die erste ihrer Art auf einen von dem Direktorenrat gebilligten Kredit hin, wurde in Erwiderung auf die Kritik von ICT in Washington, daß die Bank ihre eigenen Verfahrensregeln zu Umwelt, Umsiedlung und Bekanntgabe von Informationen verletzt hätte, gebildet. Bei dem Projekt, für das der Direktorenrat vor über einem Jahr stimmte und das einen Kredit von US$ 40 Mio. beinhaltet, handelt es sich um ein Programm zur Linderung der Armut, das die Umsiedelung von 57.775 armen Bauern, hauptsächlich Han und moslemischen Hui Chinesen, aus dem Osten der Provinz Qinghai in den weiter westlich gelegenen Distrikt Dulan in der Mongolischen und Tibetischen Autonomen Präfektur Tsonub (chin. Haixi) vorsieht.